Praxisbeispiel
Anhand eines Praxisbeispiels soll deutlich werden, wie unterschiedlich die Gespräche verlaufen können und damit auch die Ergebnisse anders ausfallen.
Tom wird immer wieder handgreiflich, die Eltern sind informiert, weisen aber von sich, dass es da Probleme geben könnte und etwas von ihrer Seite zu unternehmen sei. Die Erzieherin sucht das Gespräch mit der Mutter, als sie ihren Sohn abholt.
Typische Gesprächssituation
Typische Gesprächssituation
Erzieherin: "Frau Meier, Tom hat heute wieder ziemlich auf einen anderen Jungen draufgehauen."
Frau Meier: "Ja, da wird der andere Junge ja auch seinen Teil dazu beigetragen haben!"
Erzieherin: "Na ja, er hatte ein Spielzeug, das Tom haben wollte, und der andere wollte es ihm nicht geben."
Frau Meier: "Und Tom hatte natürlich wieder die Schuld, weil er ja immer so raubeinig ist, sagen Sie! Dabei ist er einfach ein Junge, der sich durchsetzen kann, zum Glück!"
Erzieherin: "Nun seien Sie doch bitte nicht gleich beleidigt, es war wirklich nicht richtig von Tom und wir legen hier auch Wert auf gewaltfreies Miteinander."
Frau Meier: "Aha, da ist Tom jetzt auch noch ein Gewalttäter! Nur, weil er sich nicht alles gefallen lässt. Und das soll er auch nicht! Schauen Sie sich doch mal um, ohne Ellenbogen geht heute gar nichts mehr."
Erklärung Verteidigungshaltung
Erklärung Verteidigungshaltung
Die Mutter ist hier ganz in der Verteidigungshaltung für ihren Sohn und ihre Auffassung. Mit Blick auf das TTM ist zu vermuten, dass sie sich in Bezug auf Veränderung ihres Erziehungsverhaltens in der Absichtslosigkeit befindet.
Möglicher alternativer Gesprächsverlauf
Möglicher alternativer Gesprächsverlauf
Eine durch MOVE – mit der Kenntnis des TTM und den Fertigkeiten der Motivierenden Gesprächsführung – geschulte Erzieherin könnte folgendermaßen agieren:
Erzieherin: "Frau Meier, Tom hat heute wieder ziemlich auf einen anderen Jungen draufgehauen, da machen wir uns Sorgen."
Frau Meier: "Ja, da wird der andere Junge ja auch seinen Teil dazu beigetragen haben!"
Erzieherin: "Tom macht sowas nicht ohne Grund."
Frau Meier: "Natürlich nicht, er ist kein Rowdy."
Erzieherin: "Einen Rowdy möchten Sie nicht großziehen."
Frau Meier: "Wer will das schon! Aber durchsetzen soll er sich schon können!"
Erzieherin: "Durchsetzungsvermögen ist Ihnen bei ihrem Sohn wichtig."
Frau Meier: "Ja, ohne Ellenbogen kommt man ja wohl heutzutage nicht weit... wobei mir klar ist, dass Tom da manchmal übertreibt."
Erzieherin: "Manchmal schießt er sozusagen über die Ellenbogen hinaus."
Frau Meier: "Ja schon, er soll natürlich nicht hauen... ich glaube, ich spreche mal mit ihm."
Erklärung Veränderungsbereitschaft
Erklärung Veränderungsbereitschaft
Hier lässt sich die Erzieherin, nachdem sie den Sachstand mitgeteilt hat, ganz auf die Perspektive der Mutter ein. Die Mutter fühlt sich verstanden, muss nichts verteidigen und bringt sich selbst dahin, mit Tom über sein Verhalten zu reden. Sicher ist es in diesem Stadium (eher absichtslos) viel zu früh, Frau Meier z. B. den Besuch eines Elternkurses oder gar der Erziehungsberatung vorzuschlagen oder zu empfehlen.
Frau Meier – das spürt man – würde sofort in beiden Gesprächen empört ablehnen. Durch die stetigen motivierenden Gespräche ist es vorstellbar, dass Frau Meier immer nachdenklicher wird und irgendwann selbst das Gefühl hat, Hilfe von außen wäre eine gute Sache.
Erst dann ist sie offen dafür (Vorbereitung) und wenn man diese Ideen nicht zu einem viel zu frühen Zeitpunkt quasi schon "verbrannt" hat, wird sich Frau Meier auf Hilfe von außen einlassen können und wollen.